Eindrücke des Ehrw. Ñāṇavimala
Ehrw. Ñāṇadīpa Thera
Ñāṇavimala wohnte in der „Island Hermitage” in einer kuṭi (Hütte), die ursprünglich für Ñāṇamoli erbaut wurde. Er hielt sich ausschließlich in seiner kuṭi auf und nur wenn er fegte, badete oder seine einzige Mahlzeit in der dānasālā (Speisesaal) zu sich nahm, konnte man ihn draußen sehen. Die Anlässe, zu denen er einen Besucher zuließ, waren rar. Ich wagte es nicht ihn aufzusuchen. Bevor ich ‘68 fortging, erwirkte allerdings der singhalesische Mönch Ñāṇasanta für mich Erlaubnis ihn besuchen zu können. Er fragte mich, warum ich wegginge. Ich sagte, dass ich mich noch nicht mit Sicherheit dazu entschieden habe ein Mönch zu werden. Er riet mir nicht zu gehen, da ich möglicherweise nicht noch einmal solche guten Bedingungen zum Ordinieren, wie ich sie nun hatte, vorfinden würde. Als ich sagte, dass sich immer ein Ort finden ließe, an dem ich ordinieren könnte, bestand er jedoch nicht darauf. An die Belehrung, welche er mir erteilte, kann ich mich nicht erinnern, allerdings fühlte ich mich tief beeindruckt.
Während meines Aufenthaltes als ein upāsaka (Laie) mit ihm, im Jahre ‘68 und als ein sāmaṇera (Mönchsnovize) im Jahre ‘69, war er das einzige inspirierende Vorbild, das ich hatte. Es war jedoch vielmehr seine Erscheinung, die mich inspirierte als die Dhamma-Belehrungen, die er gab. Er war in jenen Tagen äußerst reserviert und wann immer er sprach, betonte er die Wichtigkeit, der von mir als vielmehr uninteressant erachteten, präparativen Teile der Praxis. Zu einigen Anlässen wurde er in der Tat sehr liebenswürdig. Zum Beispiel erhob er sich von seinem Sitz und half mir behutsam die Robe anzuziehen, als ich zum sāmaṇera ordiniert wurde (eine schlichte Zeremonie in der dānasālā). Gegen Ende des Aufenthalts, konnte man ihn öfters außerhalb der kuṭi sehen und manchmal am Frühstück und der Abendrezitation teilnehmen, welche mit Teetrinken endete. Ich sah ihn sogar einmal in der Lagune schwimmen, was ich eher überraschend fand.
Die letzten zwei oder drei Wochen vor seinem Fortgang, verblieb er nach dem Teetrinken in der dānasālā (Speisesaal), um von dem Abt Ñāṇāloka, in Singhalesisch unterrichtet zu werden. Er bekam Hilfestellung, um eine mettākathā (Rede über Mettā-Meditation) vorzubereiten, um in der Lage zu sein für die Leute, welche ihn auf seinen cārikās (Wanderungen) unterstützten, eine kleine Baṇa (Predigt) halten zu können. Unmittelbar nach seinem Fortgang, war er verschwunden und niemand wusste wohin. Er ging und hinterließ ein Vakuum – keinen mehr, durch den man inspiriert werden konnte. Die Bedingungen verschlechterten sich allmählich und ein paar Monate später, erachtete ich es als notwendig, nach Bundala aufzubrechen, ungeachtet seines Rates – für mindestens fünf Jahre zu bleiben.
Den Vorfall mit dem Bären bei Kudumbigala, schilderte er mir 1969. Er wohnte in einer weit abgelegenen Höhle. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde mir die Höhle gezeigt, sie besaß immer noch das Gros der altertümlichen Wände. In der besagten Nacht, kam ein Bär durch den Eingang, stellte sich auf seine Hinterbeine, hob seine Vorderbeine mit den Klauen und ging langsam auf ihn zu (jeder, der schon einmal einen Bären mit seinen gespreizten Klauen gesehen hat, weiß was für ein furchteinflößender Anblick das ist). Ñāṇavimala begann das sogenannte khandhaparitta (Gruppen-Schutz) zu verlauten, eine Rezitation um Schlangen zu besänftigen, die jedoch auch für andere Tiere verwendet werden kann. Langsam senkte der Bär seine Pranken, machte kehrt und entfernte sich. Dieser Vorfall datiert aus seiner ersten cārikā (‘67-’68). Von Kudumbigala erfuhren wir durch ihn.
Darauffolgend hatte Ñāṇavimala (wenn überhaupt) nur selten einen längeren Aufenthalt im Wald. „Der Wald ist nicht mein kamma” (Verdienst), so sagte er zu einem anderen Mönch. Ich gehe nicht davon aus, dass er öfters draußen im Freien verweilte. Lediglich aufgrund des Ausbleibens eines geeigneten Ortes, könnte dies vorgekommen sein. Er bevorzugte den geschlossenen Raum gegenüber dem offenen Wald. Er hielt sich an die ausgetretenen Pfade, wenn er wanderte. Dies war für seine Praxis von satisampajaññā (Achtsamkeit und Verständnis) stärker zuträglich. Zu mir sagte er einmal: „Warum der Wald?” Natürlich war es für ihn nicht notwendig. Allerdings misslang ihm zu verstehen, dass dies ein wichtiger Teil der Praxis eines Mönches sein konnte. (Merke: In dieser Hinsicht entsprach er nicht Mahākassapa, der ein Waldmönch war, welcher sich kontinuierlich, sogar im hohen Alter, in den Wald zurückzog. In den theragāthā geben seine Verse seine Freude über den bewaldeten Hügel, fernab von menschlicher Behausung, wieder).
Einige Leute behaupten, dass er außerhalb des vassa nicht länger als drei Tage an einem Ort verbracht hat. Das ist nicht vollends richtig. Falls er einen geeigneten Platz gefunden hatte, blieb er gelegentlich länger. Im Sinharaja Aranya (Wathuruwila-Zweig), wurde mir von dem Hauptmönch erzählt, dass er einen Monat in einer kuṭi verbracht hatte. Er gab mir dieselbe kuṭi. Dies war in ‘70, während meiner ersten cārikā. Wenn er durch tamilische Gebiete zog, war er manchmal mit christlichen Priestern zusammen. Er bemerkte, dass diese ihn ausgesprochen gut behandelten. Gelegentlich sprach er mit diesen über mettā und dāna (liebender Güte und Großzügigkeit) sowie über andere Dinge, welche beiden Religionen gemein sind. Darüberhinaus ging er nicht. „Das ist alles was ich sagen kann”, sagte er gewöhnlich. Wenn allerdings beiderlei, eine christliche und eine buddhistische Örtlichkeit vorzufinden waren, wählte er, obwohl er dort weniger gut behandelt wurde, den buddhistischen Ort aus. Diesbezüglich sagte er: „Das ist es, wo ich hingehöre, dāyakas (Unterstützer) haben es für buddhistische Mönche errichtet.”
Als er ungefähr sechzig war, verlor er alle seine Zähne. Er hatte einfach aufgehört sie zu pflegen. Sie verfaulten und fielen einer nach dem anderen aus. Diesbezüglich sagt er zu mir: „All die Mühsal, die ich aufgrund der Zahnfürsorge hatte, Zahnpasta, Zahnpuder und Bürsten, von alldem bin ich nun befreit.” Er bemerkte, dass es ihm gelänge einen Apfel mit seinem Zahnfleisch zu kauen.
Im Vajirarama weilte er einmal in einem Raum neben den Toiletten. Ich war zu seinem Zimmer gekommen, um ihm Respekt zu erweisen, als jemand die Toilettenspülung nebenan betätigte und dabei ein lautes Geräusch verursachte. Lächelnd ignorierte er den geräuschvollen Lärm, sagte „Wasserfall” und verlieh seiner Gleichmütigkeit gegenüber solch störenden Geräuschen Ausdruck. Dies war, hinsichtlich des Umgangs mit solchen ungewünschten Störfaktoren, eine Lektion für mich. In Bezug auf das Aufgeben des Vegetarismus von Ñāṇavimala, wie in „Das Leben des Ñāṇavimala Thera” beschrieben, habe ich eine andere Erklärung vernommen. In Polgasduwa ‘69, hörte ich ihn jene Geschichte erzählen: „Ich wurde durch einen Mangel an Protein sehr krank und der Arzt erzählte mir andauernd, dass ich Fleisch essen müsse. Ich lehnte dennoch ab. Schlussendlich sagten sie zu mir: „Wenn du kein Fleisch isst, werden wir dich zurück nach Deutschland schicken.”“ Bhante fuhr fort: „Nun ja, ich hätte Leute töten müssen, wenn ich zurück nach Deutschland gegangen wäre – daher beschloss ich Fleisch zu essen!”
In dem selben Beitrag wird erwähnt, dass Ñāṇavimala ‘66 auf cārikā ging. Dem stimme ich nicht zu. Das muss ‘67 gewesen sein. ‘68 verbrachte ich sieben Monate in Polgasduwa (April-November) und er kehrte inmitten dieser Periode zurück. Der Tag an dem er ‘68 zurückkam, war, wie der erste jugoslawische Mönch, Ñāṇajivika mir berichtete, exakt jener Tag, ein Jahr nachdem er ‘67 fortgegangen war. Nach elf Jahren (nicht zehn) ununterbrochenem Aufenthalt auf Polgasduwa, brach er zu dieser ersten cārikā auf. Zu einer späteren Begebenheit sagte er mir: „Ich ging nicht auf cārikā bis ich wusste, dass ich meinen Geist kontrollieren konnte.” Nach seiner Rückkehr verbrachte er ein weiteres Jahr (oder ein wenig länger) auf Polgasduwa, woraufhin er für immer fortging. Alles in allem verbrachte er demnach, rund zwölf Jahre auf Polgasduwa mit seiner anfänglichen Etablierungsphase. Im November ’68 ging ich fort, kehrte jedoch im Juni ‘69 pünktlich zurück, um noch einige Monate mehr mit ihm verbringen zu können. Ein paar Monate, bevor er für immer wegging (mit Ausnahme einiger Kurzbesuche), wurde ich im September zum sāmaṇera ordiniert.
Hiriko beschreibt in „Verweilen mit dem Ehrw. Ñāṇavimala”, dass Ñāṇavimala nach der ersten Phase als Jungmönch sich weigerte zu lernen. Dies stimmt so nicht. Als er ‘69 von seiner ersten cārikā zurückkam, griff er zu Warder’s „Introduction to Pāli”, welche noch nicht zur Verfügung stand, als er ein Jungmönch war und ebenfalls zu anderer Sutta-Lektüre. Auch griff er hin und wieder zu einigen Sutta-Büchern, wenn er sich im Vajirarama aufhielt (zumindest in den früheren Zeiten).
In „Erinnerungen an den Ehrwürdigen Ñāṇavimala” bemerkt Guttasīla, dass Ñāṇavimala nur zehn Kilometer am Tag gelaufen war. Dies gilt es auf zehn Meilen zu berichtigen. Er sagte mir, dass wenn er länger ginge, sich seine Fußsohlen verschleißen würden.
Vor einiger Zeit las ich den Beitrag „Langsam – Sorgfältig – Achtsam” in Singhalesisch und ein Inhaltspunkt ist darin zu berichtigen. Es wird geschildert, dass Ñāṇavimala einmal in einem arañña (Waldkloster), welches einem sehr gelehrten Mönch gehörte, wohnte. Für den Aufenthalt wurde ihm die sīmā (Zone/Gebäude bestimmt für Saṅgha-Akte) überlassen. Sie beinhaltete viele Bücher, die nicht ordnungsgemäß aufgeräumt waren. Sorgfältig brachte er alle Bücher in Ordnung. Allerdings brachte er, bevor er fortging, all diese wieder zurück in die Unordnung, in der er sie vorgefunden hatte. Der gelehrte Mönch vermutete, dass er dies getan habe, um eine Lektion zu erteilen. Das glaube ich nicht. Als ich in einem anderen arañña weilte, hörte ich eine ähnliche Geschichte von einem anderen Mönch. Ihm wurde eine kuṭi gegeben und das Erste was er tat, war alle Dinge, die in der kuṭi vorgefunden wurden, neu zu arrangieren. Vor seinem Fortgehen, brachte er alle Dinge zurück in die ursprüngliche Ordnung. Der Mönch zeigte sich von seinem präzisen Gedächtnis erstaunt. Er tat dies nicht um Lehren zu erteilen oder zu kritisieren, jedoch um seines eigenen Wohlergehen willen. Die Dinge um ihn herum, mussten harmonisch angeordnet sein. Es könnte sogar seine Gewohnheit gewesen sein, die Sachen in den Räumen und kuṭis in denen er wohnte neu anzuordnen, zumindest wenn er vorhatte für eine gewisse Zeitdauer zu bleiben. Seine kuṭi in Polgasduwa, war eindeutig, sorgfältig arrangiert.
Ich hatte nicht beabsichtigt ein Portrait Ñāṇavimalas zu entwerfen, sondern lediglich einige Eindrücke zu vermitteln. Ich empfand immer großen Respekt für ihn und ich mochte ihn als Persönlichkeit. Aufgrund unterschiedlicher Herangehensweisen an den Dhamma, ersuchte ich ihn jedoch nicht um Anleitung. Allerdings gelingt es mir heutzutage immer noch – Jahre nachdem er verstorben ist – mich hin und wieder außerordentlich inspiriert zu fühlen, indem ich an ihn denke.