Ein Mahākassapa für unsere Epoche

Ehrw. Bhikkhu Bodhi

Ehrw. Bhikkhu Bodhi

Es hat mich oft verblüfft, dass bestimmte Mönche, die ich kannte, eine unheimliche Ähnlichkeit mit den großen Gefährten des Buddha aufwiesen, zumindest insoweit, wie diese uns durch die Texte bekannt sind. Deshalb stellte sich mir im Geiste die interessante Frage, ob die großen Gefährten wohl menschliche Archetypen repräsentieren, feststehende Muster, welche den menschlichen Charakter und das Verhalten formen oder ob im Gegenteil, die buddhistischen Mönche selbst dazu neigen, sich an die großen Vorgänger anzugleichen. Es entzieht sich meiner Möglichkeiten, meine Frage mit irgendwelcher Gewissheit zu beantworten, jedoch glaube ich, dass die Ähnlichkeit, die mir aufgefallen ist, real ist und nicht nur ein Hirngespinst meiner Einbildungskraft.

Es gibt in Bezug auf solche Ähnlichkeiten überhaupt keinen Zweifel, welchen der großen Gefährten der verstorbene Ehrw. Ñāṇavimla repräsentierte. Als ich den Ehrw. K. Ñāṇananda (Autor von „Concept and Reality”, „The Magic of the Mind” und anderen Werken) eines Tages in Colombo traf, drückte er diese Tatsache höchst pointiert aus. Er bemerkte: „Falls du eine Predigt von Mahākassapa wünschst, gehe zum Ehrw. Ñāṇavimala.” Das strikte Gebaren, das asketische Wesensmerkmal, die gefestigte Selbstsicherheit, die individuelle Art der Praxis – all diese Eigenschaften des Ehrw. Ñāṇavimala erinnern an Mahākassapa. Und obwohl wir selbstverständlich keine Portraits des großen Älteren haben, musste ich gemäß seiner Darstellungen in der chinesischen buddhistischen Bildhauerkunst, Übereinstimmung mit der physischen Statur und den Gesichtszügen von Ñāṇavimala feststellen. Sie teilen sogar die gleichen durchdringenden Augen, die breite Stirn und die großen Ohren.

Mein Verhältnis zu Ñāṇavimala reicht fast 40 Jahre zurück – bis zu meinem ersten Jahr als Mönch in Sri Lanka. Im Juni 1973, nur ein paar Wochen nach meiner Hochordination, brachte mich mein Lehrer, der Ehrw. Balangoda Ānanda Maitreya für einen Kurs in Vipassana-Meditation (Einsichtsmeditation) zum Kanduboda-Meditationszentrum. Zu dieser Zeit lebte ein anderer amerikanischer Mönch in Kanduboda, ein Sāmaṇera (Mönchnovize) mit dem Namen Samita. Als ich ankam, war er gerade in Colombo, um medizinisch behandelt zu werden, allerdings kam er ein paar Tage nachdem ich meinen Retreat begonnen hatte zurück zum Zentrum. Eines Tages nach dem Mittagessen kam er zu mir und wir begannen ein Gespräch. Er erzählte mir, dass er kürzlich den Ehrw. Ñāṇavimala im Allgemein-Krankenhaus in Colombo getroffen habe und dass er von dieser Begegnung tief beeindruckt gewesen sei, sogar von Ehrfurcht ergriffen. Ich hatte bereits zuvor durch einen anderen deutschen Mönch von dem Ehrw. Ñāṇavimala gehört, jedoch hat man mich, aufgrund seines umherwandernden Lebensstils, in dem Glauben gelassen, dass es so gut wie unmöglich sei ihn persönlich zu treffen. Nun jedoch, war diese Türe dabei sich zu öffnen.

Samita sagte, er habe aufgrund seiner Begegnung mit dem Ehrw. Ñāṇavimala, den Glauben an die Vipassana-Meditation, welche in Kanduboda gelehrt wurde, die Praxis der „Trockenen-Einsicht” vom burmesischen Meditation-Meister Mahāsi Sayadaw, unter welchem der Kanduboda Meditations-Meister in den 1950 Jahren trainiert hatte, verloren. Samita erzählte mir, dass der Ehrw. Ñāṇavimala behauptet hätte, das jhāna (vertiefte Sammlung) notwendig sei, als Fundament für vipassana und dass es keine echte Einsicht geben könne, die nicht auf den jhānas basiere. Da ich gerade begonnen hatte die nikāyas in pāḷi zu lesen und ich verblüfft darüber war, welche Rolle die jhānas im Bereich des graduellen Trainings im majjhima nikāya spielten, fand ich, dass dieser Bericht einen wichtigen Punkt zum Ausdruck brachte.

Samita sagte, dass er vorhabe am nächsten Tag nach Colombo zurückzukehren, um den Ehrw. Ñāṇavimala abermals zu treffen und lud mich ein mitzukommen. Beeindruckt von dem was ich gehört hatte, dachte ich, dass ich diese Chance nicht verpassen sollte. Deswegen entschied ich mich ihn zu begleiten, obwohl dies bedeutete meinen Meditations- Retreat in Kanduboda zu verkürzen. Wir trafen den Ehrw. Ñāṇavimala im Colombo Krankenhaus. Da er sich gerade kurz vor seiner Entlassung befand, sprachen wir bei dem ersten Treffen nicht viel. Er sagte uns, dass er vorhabe ein paar Tage in Colombo im Vajirarama-Kloster zu verbringen, bevor er wieder einmal auf eine seiner Wanderschaften aufbrechen würde. Wir beide, Samita und ich, sind daraufhin entweder gleich am selben Abend oder am nächsten Tag zum Vajirarama-Kloster, wo wir den Ehrw. Ñāṇavimala erneut trafen. Dieses Mal war es mir möglich, mich mit ihm privat und auch länger zu unterhalten.

Er sprach bei diesem Treffen, soweit ich mich erinnern kann, nicht über irgendwelche Einzelheiten von Meditationstechniken oder über höhere Verwirklichungsstufen. Er schien eine scharfe Fähigkeit zu besitzen, bereits innerhalb eines kurzen Wortwechsels, den Charakter und die Verfassung einer Person beurteilen zu können und er passte seine Lehrrede dementsprechend an, um die Person exakt in der Art und Weise zu adressieren, die am besten den Bedürfnissen dieser entsprach.

Nach ein paar einleitenden Bemerkungen redete er mit mir daher sogleich über jene Themen, deren Verständnis er, für einen neuordinierten Mönch, als wesentlich erachtete. Die Punkte, die er zu besprechen bereit war, fasste er unter der allgemeinen Rubrik – „Die Arbeit die getan werden muss“ – zusammen.

In diesem ersten Gespräch mit mir betonte er, dass das buddhistische Training ein gradueller Weg sei, welchen es gelte in Etappen zu durchlaufen und er sagte, dass es notwendig sei eine solide Basis an jeder vorherigen Stufe zu schaffen, bevor man versuche die nächste zu erklimmen. Er muss dutzende von jenen Westlern gesehen haben, die nach Sri Lanka kommen, zum Mönch ordiniert werden und lospreschen, um Arahantschaft (völlige Befreiung) im Eilverfahren zu erreichen, einzig und allein, um vor Ablauf ihr ersten Jahres als Mönch, wieder in ziviler Montur zu enden, mit einem Flugticket für ihr Heimatland. Er könnte dies im Sinn gehabt haben, als er mich warnte nicht in Eile zu sein die höheren Stufen zu erreichen, bevor die unteren, einfacheren, grundlegenden gemeistert sind.

Er betonte die Wichtigkeit des Lesens des vinayas (monastisches Regelwerk), der minutiösen Befolgung der Regeln, der täglichen Selbsthinterfragung, des Studierens der suttas (Lehrreden) und dem Erreichen eines umfassenden Verständnisses des Dhamma auf Grundlage der nikāyas. Da er im Vergleich zur Theorie, der Praxis mehr Gewicht verlieh, vermied er es über philosophische Themen zu sprechen, wie die Bedeutung des Nicht-Selbsts oder das der Bedingten Entstehung. Ohne jeden Zweifel glaubte er, dass ein vernünftiges Verständnis dieser Inhalte nur von jenen errungen werden könne, die bereits ein gewisses Maß an Reife innerhalb der Praxis erreicht hatten. Er muss davon ausgegangen sein, dass wenn diese Teile der Lehre zum Gegenstand von Diskussion und Debatte verkehrt würden, dies gerade für einen relativen Neuling, die Gefahr des Abgleitens in den Irrgarten der konzeptuellen Ausuferung (papañca) berge.

Er sprach von der Praxis als einem einsamen Unternehmen, das wir auch bereit sein sollten alleine anzugehen, ohne Abhängigkeiten von anderen. Er hob die Notwendigkeit hervor Freude an der Abgeschiedenheit zu finden, sich in Zufriedenheit mit schlichten Requisiten zu üben und eine solide richtige Sichtweise sowie auch die richtige Motivation aufzubringen. Er sprach mutmaßlich auch über die Wichtigkeit seinem Lehrer zu dienen, schlicht um die Anforderung des vinaya – für fünf Jahre unter dem Geleit eines Lehrers zu leben – zu erfüllen, ungeachtet dessen, ob man durch diesen angeleitet wird. Wenn er zu neuordinierten, westlichen Mönchen sprach, hörte ich ihn über die Jahre hinweg, beständig zu diesem Thema reden.

Ich weiss nicht mehr, ob er irgendwelche spezifischen Anweisungen zum Meditieren gab. Da er in darauffolgenden Gesprächen jedoch die Wichtigkeit der jhānas hervorhob, ist es gut möglich, dass er sich auch in unserer ersten Unterhaltung zu diesem Thema geäußert hat. Ich kann mich nicht erinnern, dass er damals speziell das moderne Meditationssystem der „Trockenen-Einsicht” kritisiert hätte, seine Betonung der Rolle der jhānas könnte allerdings eine implizierte Kritik gegenüber jenen Meditationssystemen beinhaltet haben, die diesen ihre Bedeutung aberkennen.

Während des selben Aufenthaltes in Vajirarama, traf ich auch den Ehrw. Kheminda Thera, einen sri lankischen Seniormönch, den der Ehrw. Ñāṇavimala für seine Wissenschaft und seine Widmung zur Praxis respektierte. In meinem Gespräch mit ihm, bestätigte der Ehrw. Kheminda den Stellenwert der suttas. Er vertrat diese Art von „Suttanta-Fundamentalismus”, der zu jenen Zeiten im Vajirarama verbreitet war. Er sagte, dass man die Kommentare lediglich akzeptieren sollte, wenn diese sich im Einklang mit den suttas befänden (als ob ein neuordinierter, amerikanischer Mönch fähig wäre solche gepflegten Unterscheidungen zu machen). Er unterstrich die Wichtigkeit der jhānas und sprach herabwürdigend über die burmesische „Trockene-Einsicht”-Meditationslehre als einem Irrweg.

Der Ehrw. Kheminda zeigte mir die Aufzeichnungen einer weitläufigen Debatte, welche er mit einem burmesischen Sayadaw, einem Lehrer der „Trockenen-Einsicht”- Meditationsschule, geführt hatte. Ihre Debatte wurde in Seiten von „World Buddhism”, einer in Sri Lanka angesiedelten Zeitschrift, in den späten 60er oder frühen 70er Jahren veröffentlicht. Er sagte mir, dass er seine beigesteuerten Teile zu dieser Diskussion extrahieren und in einem einzelnen Büchlein zusammenführen wolle. Allerdings hielt eine schlechte Gesundheit ihn von der Erfüllung dieses Wunsches ab. Ich bot an, die Arbeit für ihn zu übernehmen und verwandt viel Zeit meines ersten Regenrückzuges darauf, die Artikel auszuschneiden, aufzubereiten und zusammenzuführen, um ein Büchlein zu erstellen, das privat unter dem Titel „The Way of Buddhist Meditation” herausgegeben wurde. Ich bevorzugte keine namentliche Nennung als Editor, da mein Lehrer, der Ehrw. Ānanda Maitreya, ein Verfechter des burmesischen Systems der Einsichtsmeditation war.

Als sich darauffolgend meine Kenntnis der suttas weiterentwickelte und ich eine breitere Perspektive auf das Spektrum der Möglichkeiten innerhalb des Buddhapfades erhielt, stellte ich diese Beharrlichkeit in Frage, welche auf die Notwendigkeit der jhānas als Grundlage zur Einsicht bestand. Meinem derzeitigen Verständnis zu Folge, ist es durchaus möglich, die ersten beiden Verwirklichungsstufen – Stromeingang und Einmal-Wiederkehr – auf Basis von Einsicht ohne jhānas als Grundlage zu erreichen. Es setze sich in mir die Erkenntnis durch, dass der ganze Themenbereich der Meditation Komplexitäten beinhaltet, die nicht nur mittels dem Rezitieren von sutta und Vers einfach ausgeräumt werden können. Die jhānas spielen laut meinem derzeitigen Verständnis, aus der Suttanta-Perspektive, eine entscheidende Rolle beim Übergang von der zweiten zur dritten Stufe der Verwirklichung, d.h. vom Einmal-Wiederkehrer zum Nicht-Wiederkehrer. Die in der Kommentarliteratur von verschiedenen buddhistischen Schulen anerkannte Möglichkeit, sogar Arahantschaft mithilfe der „Trockenen-Weisheit”-Methode, ohne Abhängigkeit von den jhānas zu erreichen, schließe ich zudem nicht aus. Zu jenen früheren Zeiten jedoch, waren es die Sichtweisen des Ehrw. Kheminda und des Ehrw. Ñāṇavimala, die äußerst stark mein Verständnis von Meditation formten. Über die nachfolgenden Jahre hinweg, traf ich den Ehrw. Ñāṇavimala zahlreiche Male, gewöhnlich im Vajirarama. Meine Erinnerungen an ihn sind daher eine Collage von Reden, die er zu verschiedenen Begebenheiten hielt. Manchmal sprach ich privat zu ihm, andere Male zusammen mit anderen Mönchen. Jedes Mal, wenn wir uns unter vier Augen trafen und ich ihm Respekt erwiesen hatte, begann er die Unterhaltung immer, indem er sagte: „Wie kommst du voran?” Das war nicht lediglich eine höfliche Erkundigung, sondern vielmehr eine gewichtige Frage, die darauf abzielte mir eine Offenbarung über meinen Entwicklungszustand zu entlocken, die dann den weiteren Verlauf des Gespräches, in Bezug auf die Praxis, bestimmen sollte. Für den Ehrw. Ñāṇavimala war das buddhistische Training immer etwas, das es zu tun galt, ein Frage des „Vorankommens.”

Als ich ihn im Laufe der Zeit, bei darauffolgenden Anlässen traf, eröffnete er schrittweise, vermehrt explizite Anweisungen zur Meditation und durch seine Äußerungen, ergab sich hierbei ein klareres Bild seiner Methodik. Er betonte, dass man sich in den frühen Phasen der Praxis auf die Bewältigung der zwei Haupthindernisse Sinnesverlangen und Böswilligkeit fokussieren solle. Für das erste verschrieb er (gemäß der suttas) als Heilmittel die Wahrnehmung der Unreinheit des Körpers (asubhasaññā) und als Heilmittel für das zweite, liebende Güte (mettā). Im Besonderen pries er die liebende Güte und sprach darüber, wie sie zu immer höheren Stadien der Vervollkommnung führen könne. Obwohl er in Bezug auf seine persönliche Entwicklung offensichtlich einen großen Nutzen aus der Atemmeditation zog, schien er die Atemmeditation als eine stärker fortgeschrittene Praxis zu betrachten, die ihr Potential nur entfalten könne, wenn die Vorarbeit geleistet wurde, eben durch die Meditationen der körperlichen Unreinheit, sowie der liebenden Güte.

In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren, trat eine Hüftverletzung, die er sich Jahre zuvor zugezogen hatte, abermals in Erscheinung und verursachte starke Schmerzen beim Gehen von langen Distanzen. Dies erschwerte es ihm, seine Wanderschaften fortzuführen und aufgrund dessen, war er gezwungen lange Perioden im Vajirarama zu verbringen. Dort wurde er nicht nur für andere Mönche viel besser zugänglich, sondern auch für Laien, die in und um Colombo lebten. Um seine Abgeschiedenheit zu wahren, heftete er eine Notiz an die Tür seines Zimmers, welche verlautbarte, dass er nur zu bestimmten Zeiten Besucher empfing (Ich glaube zwischen 18.00 und 20.00 Uhr, allerdings ist meine Erinnerung an die Sprechzeiten verblasst). Es war nicht unüblich Leute vor seinem Zimmer zu sehen, die warteten, um ihn zu treffen. Diese kamen entweder als Individuen, als Paare oder in kleinen Familienverbünden, um seine Weisheit und Segenswünsche zu ersuchen. Ich war gewöhnlich in einem Zimmer ganz in der in Nähe, wo ich seine hallende Stimme in einem stetigen und inspirierenden Rhythmus, sich über Stunden hinweg erheben und abfallen hörte. Während des Tages jedoch, vom frühen Morgen bis zum Abend, blieb die Tür seines Raumes geschlossen und er kam nur heraus, um seinen Unterstützern die Erlaubnis zu erteilen sein Mahl zu bringen.

Mein eigenes Verhältnis mit dem Ehrw. Ñāṇavimala war kein reines der Verehrung und Nachahmung. Gewiss hatte ich enormen Respekt vor ihm und ich erachtete seinen Rat gewöhnlich als äußerst nützlich, jedoch nicht immer. Temperamentsmäßig waren wir sehr unterschiedlich. Aus meiner Sicht, legte er eine gewisse teutonische Strenge an den Tag, die nicht wirklich gut mit meiner eigenen weicheren Disposition und meinem toleranten kulturellen Hintergrund vereinbar war. Seine Einstellungen erschienen mir manchmal mehr an westliche theistische Religion zu erinnern, als an die sanfte Warmherzigkeit, die ich durch viele, der mir bekannten sri lankischen Mönche verkörpert sah.

Bei einer weitläufigen Betrachtung des frühen buddhistischen Saṅgha, kann ich zwei wesentliche Paradigmen des klösterlichen Lebens erkennen, die sich zur Zeit des Buddha formten und welche die Jahrhunderte bis in die Gegenwart überdauerten. Eines war der Modellcharakter des einzelnen Waldasketen, der möglicherweise aus älteren Formen von indischer Spiritualität, vor dem Erscheinen des Buddhas, stammt. Dieses Ideal wird in der buddhistischen Literatur in dem Bild des Paccekabuddha (einzelner Buddha) widergespiegelt, der Erleuchtung ohne einen Lehrer erreicht und dann auch keine Anstrengungen unternimmt, um anderen zur Erleuchtung zu verhelfen. Es hat den Anschein, dass Mahākassapa dieses Erbe, als buddhistisches Abbild, weiterführt. Der andere Modellcharakter wurde vom Buddha selbst geschaffen: Der, der Erleuchtung erlangte, andere lehrte, eine Gemeinschaft an Gefährten kreierte und der Zeit zum einen in das Genießen der Glückseligkeit der Abgeschiedenheit und zum anderen in das Anleiten anderer, unterteilte. Der von Buddha geleistete Beitrag dieses altruistischen Geistes zur indischen Spiritualität mutet außergewöhnlich an. Gemäß der Tradition, entstammt er von seinem enormen Mitgefühl und seiner Entschlossenheit, über viele vergangene Leben hinweg, empfindende Wesen von Leiden zu befreien. Innerhalb der Gemeinschaft, könnten Sāriputta und Ānanda als diejenigen betrachtet werden, welche nach dem Buddha selbst, am besten dieses Ideal veranschaulichen. Beiden war es möglich, ein meditatives Leben und einen ergebenen Dienst am Dhamma, mit der Aufgabe, nämlich dem zweifachen Unterrichten von Mitmönchen einerseits und Laien andererseits, zu kombinieren. Ich erachte den Ehrw. Ñāṇavimala im Speziellen während den ersten Jahren meiner Bekanntschaft mit ihm, als übereinstimmend mit dem ersten dieser beiden Vorbilder. In seinen Lehren an westliche Mönche, hob er fast ausschließlich die persönliche Entwicklung hervor, das Involviertsein mit anderen missbilligte er und selbst die Beschäftigung mit Aktivitäten, die auf eine Bekanntmachung des Dhamma abzielten. Er vertrat manchmal Ansichten, die nach meiner Auffassung, überaus pessimistisch waren. Zum Beispiel sagte er, dass es keinen Sinn habe über den Dhamma zu schreiben, da bereits genug Materialien für die hinreichend Interessierten verfügbar seien und dass es zwecklos wäre, die Literatur zum Dhamma zu verbreiten, da sowieso nur wenige Leute klar genug sehen würden, um sich der Lehren anzunehmen. Obwohl heutzutage das verfügbare Maß an Literatur zum Buddhismus wirklich überbordend sein mag, so glaube ich dennoch, dass die Anstrengungen von Organisationen wie der „Buddhist Publication Society”, der „Pāḷi Text Society” und nun (mittels dem Internet) von verschiedensten Buddhistischen Webseiten in enormen, für den Ehrw. Ñāṇavimala nur schwer zu begreifenden Ausmaßen, zur Verbreitung des Dhammas beigetragen haben.

Der Implikation der Vergänglichkeitslehre entsprechend, haben Leute keinen fixen, unveränderlichen Charakter, sondern ändern sich mit der Zeit und dies schien ebenfalls mit dem Ehrw. Ñāṇavimala passiert zu sein. Trotz seines Schwerpunktes der abgeschiedenen Lebensführung, war er mit einer einzigartigen Wortgewandtheit und Selbstsicherheit begabt, welche die Lehre tief in die Herzen jener eindringen ließ, die ihn um seine Anleitung ersuchten. Während seines fortgeschrittenen Alters, war es ihm möglich, die Lehre im Überfluss mit anderen zu teilen und dieses Engagement schien die harte Einstellung, welche er oft zu früheren Zeiten an den Tag legte, aufzuweichen. In den späten 1990er Jahren traf ich den Ehrw. Ñāṇavimala nur unregelmäßig, da ich in Kandy in der Zentralprovinz lebte und er auf der Parappaduwa-Insel, tief im Süden. Dennoch, wenn wir beide einen Grund hatten nach Colombo zu kommen, kreuzten sich vereinzelt unsere Wege. Bei den letzten meiner Treffen mit ihm, war es mir unmöglich keine Veränderungen in den Sichtweisen des Ehrw. Ñāṇavimala festzustellen. Er sprach mehr anerkennend über die Arbeit der „Buddhist Publication Society” und legte gegenüber den Anstrengungen, welche andere speziell zur Bekanntmachung des Dhamma im Westen unternahmen, eine positivere Haltung an den Tag. Er zeigte sich zudem mehr wertschätzend gegenüber meinen Mühen, welche ich in die Übersetzung der buddhistischen Texte investiert hatte, eine Selbstverpflichtung meiner selbst, die er in früheren Zeiten dem Anschein nach, als Ablenkung von der „wahren Arbeit” eines Mönches betrachtete. Ich denke er hätte auch die Anstrengungen westlicher Mönche bewundert, buddhistische Klöster in westlichen Ländern zu etablieren.

Der Ehrw. Ñāṇavimala hielt sich bedeckt zu irgendwelchen Änderungen seiner Ansichten und er könnte sicherlich angenommen haben, die ganze Zeit über konsistent gewesen zu sein. Ich glaube jedoch, dass die Evolution in seinem Denken real war. Hauptsächlich würde ich die Veränderungen zwei Faktoren zuschreiben. Einer, war seine lange Periode der Einschränkung im Vajirarama in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren. Dies brachte ihn in vermehrten Kontakt mit Laien, die in ihm aufgrund ihrer Notlagen, stärkere Gefühle der Sympathie und durch ihre Versuche den Dhamma in ihrem täglichen Leben anzuwenden, Achtung erweckt hatten. Der andere Faktor war seine Meditation der liebenden Güte. Wenn auch diese über Jahrzehnte eine seiner Grundpraktiken war, hat sie vielleicht in Kombination mit den stärker zunehmenden persönlichen Kontakten einen inneren Wandel ausgelöst. Wie dem auch sei, obwohl diese Erklärungen lediglich spekulativ sind, bin ich dennoch überzeugt, dass meine Wahrnehmung einer zunehmenden Sensibilität in ihm akkurat war.

Unter den Bewunderern des Ehrw. Ñāṇavimala gibt es eine Tendenz ihn als ausschließliches Abbild des idealtypischen, buddhistischen Mönches zu betrachten. Ich sehe ihn in einem anderen Licht. Ich glaube, dass die Vielfalt, welche wir unter Buddhas eigenen großen Gefährten sehen können, unterschiedliche Arten repräsentiert, in denen buddhistische Spiritualität verkörpert werden kann. Die großen Gefährten können in dieser Hinsicht, als Ideale zur Nachahmung für nachfolgende Generationen betrachtet werden. Der Buddha selbst hat Sāriputta und Moggallāna als die vorrangigsten Modellcharaktere hervorgehoben. Der eine als die Versinnbildlichung von Weisheit und der andere als jene der Geistesmacht. Dennoch verkörperten andere Gefährten Exzellenz in anderen Gebieten: im Lernen, in Fähigkeiten der Darlegung, in klösterlicher Disziplin, in Hingabe zur Praxis, in Meditation, in der Erinnerung an vergangene Leben und so weiter. Jeder von ihnen verdient Respekt für die tugendhaften Qualitäten, die er oder sie verwirklichte und dieser Respekt sollte sich bis auf Buddhisten des heutigen Zeitalters erstrecken, die, wenn auch bei weitem nicht perfekt, das Erbe des Dhamma weiterführen.

Aufgrund dessen wäre es nach meinem Dafürhalten ein Fehler, jene vom Ehrw. Ñāṇavimala hervorgehobenen Themen, für einen idealen monastischen Praktizierenden als ausschließlich konstituierend zu interpretieren. Aus meiner Sicht sind andere Ideale möglich und diejenigen, die nach ihnen streben, sollten bei einem Vergleich mit dem verstärkt einsamen und asketischen Vorbild, welches der deutsche Ältere veranschaulichte, nicht herabgewürdigt werden. In einer Zeit jedoch, in der Beispiele strikter Entsagung innerhalb des Saṅgha so rar geworden sind, sticht eine Person wie der Ehrw. Ñāṇavimala sicherlich hervor, als ein heller Stern am Firmament der Lehre. Obwohl er niemals Ruhm oder die Öffentlichkeit in irgendeiner Form suchte, hat das von ihm veranschaulichte, lobenswürdige Beispiel, die Ehrerbietung und Bewunderung vieler nach sich gezogen, von denjenigen, die ihn persönlich kannten und jenen, die über ihn aus Erzählungen erfuhren.