Das Leben des Ñāṇavimala Thera
23-ter November 1911 – 10-ten Oktober 2005
Ehrw. Bhikkhu Bodhi & Ehrw. Bhikkhu Ñāṇatusita
Nach einer langen Periode körperlicher Schwäche, verstarb der hochrespektierte deutsche Mönch Ñāṇavimala Thera am 10-ten Oktober 2005, im Alter von 93 Jahren, auf der Insel Parappaduwa in der Ratgama Lagune in der Nähe von Dodanduwa. Ñāṇavimala Thera war der letzte lebende Gefährte von Ñāṇatiloka Thera (1878-1957), welcher der erste buddhistische Mönch aus Kontinentaleuropa war. Folglich wurde mit seinem Abscheiden, ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des westlichen Buddhismus abgeschlossen.
Zum Zeitpunkt seines Todes, war Ñāṇavimala Thera der älteste, aber auch der ranghöchste westliche buddhistische Mönch der Welt. Er war sowohl bei Mönchen als auch bei Laien hochangesehen und viele Leute glauben, dass er die höchste Stufe des buddhistischen Heilsweges erreicht hat. Für die letzten Jahre seines Lebens war er bettlägerig und wurde kontinuierlich von einem oder zwei hingebungsvollen Mönchsgehilfen versorgt. Er verweilte in so gut wie kompletter Abgeschiedenheit auf der ehemaligen Nonneninsel Parappaduwa, nahe der „Island Hermitage“, in der Lagune bei Dodanduwa.
Im bürgerlichen Leben hieß Ñāṇavimala Friedrich Möller. Er wurde 1911 in Hessendorf bei Rinteln geboren und war seit jungen Jahren spirituell interessiert. Obwohl er zunächst Christ war, wurde sein Interesse an Yoga und Hinduismus durch ein Treffen mit einem indischen Medizinstudenten in Deutschland geweckt und er entschloss sich dazu, nach Indien zu gehen, um dort seine neuen religiösen Bestrebungen voranzutreiben. Da das deutsche Militär sich auf den Krieg vorbereitete und viele Rekruten benötigte, war es für deutsche Männer grundsätzlich ziemlich schwierig das Land zu verlassen. Dennoch gelang es Möller, drei oder vier Jahre vor dem zweiten Weltkrieg, auf das Handelshaus in Hamburg bei dem er angestellt war, so einzuwirken, dass es ihn nach Mumbai in Indien schickte, um dort als Händler zu arbeiten. Ungefähr ein Jahr vor Kriegsbeginn, wurde Möller zum Direktor des Deutschen Handelshauses in Colombo ernannt. In Colombo führte er ein angenehmes und luxuriöses Leben, was jedoch, mit dem Ausbruch des Krieges 1939, ein jähes Ende fand. Zusammen mit vielen anderen Männern deutscher Nation, die in britischen Kolonien lebten, wurde Möller von der britischen Regierung als Feind festgesetzt. Zunächst wurde er in Diyatalawa, im Bergland von Sri Lanka, interniert und anschließend Anfang 1942, wurde er in das große und ziemlich komfortable Zentral- internierungslager nahe der Stadt Dehra Dun, in Nordwestindien, überführt. Er wurde in dem selben Trakt wie Ñāṇatiloka und dessen deutscher Schüler Vappo untergebracht, wo er eine Freundschaft zu diesen entwickelte.
Als ein strikter Vegetarier, lehnte Möller die servierte nicht-vegetarische Diät im Lager ab und starb fast an dessen Konsequenz. Am Rande des Todes, nahm er den Rat seiner buddhistischen Freunde an seine vegetarischen Überzeugungen aufzugeben und erholte sich zügig. Später während einer Wiedererzählung dieser Erfahrung, bemerkte er, dass er ab dem Zeitpunkt die Weisheit des Buddha verstand, keinen Vegetarismus zu propagieren. Es war dort im Internierungslager, als er Schüler von Ñāṇatiloka und ein aufrichtiger Buddhist wurde.
Im November 1946, wurden die meisten der deutschen Bewohner von Dehra Dun von den Briten nach Hamburg, in das britisch besetzte Gebiet Deutschlands, zurückgeführt. Dank der Anstrengungen von zunehmend politisch mächtigen singhalesischen Buddhisten und einigen ihrer Organisationen, wurde es Ñāṇatiloka und den anderen buddhistischen Mönchen erspart, in das von Bomben verwüstete Deutschland zurückzukehren und es war ihnen stattdessen möglich, wieder nach Ceylon zu gehen. Friedrich Möller musste jedoch, trotz seines starken Wunsches buddhistischer Mönch in Ceylon zu werden, zurück nach Deutschland. Es wurde ihm nicht gestattet dem nachzukommen, da er dort nicht bereits vor dem Krieg buddhistischer Mönch gewesen war.
Möller arbeitete zunächst auf einem Bauernhof im Umland von Hamburg. Die einzige Entlohnung, die er erhielt, war freie Kost und Logis. Allerdings war dies seine einzige Alternative zum Hunger. Nach einer gewissen Zeit, fand er dennoch Arbeit als Englischlehrer in Hamburg und konnte bei seiner bisherigen Landfrau bleiben, die ihn wie ihren Sohn zu behandeln pflegte, welchen sie während des Krieges verloren hatte. Viele der deutschen Männer hatten im Laufe des Krieges ihr Leben gelassen und die große Mehrheit von Möllers Schülern waren Frauen. Möller schaffte es den Versuchungen von Sinnlichkeit und Romantik zu widerstehen, da er fest entschlossen war zurück nach Ceylon zu gehen und Mönch zu werden.
Er partizipierte in einem buddhistischen Kreis in Hamburg. Eines Tages 1953, musste er in einem Hamburger Hotel, eine Rede von Asoka Weeraratna, dem Gründer der Deutschen Buddhistischen Missions Gesellschaft („Lanka Dharmaduta Society“) in Colombo, vom Englischen ins Deutsche übersetzen. Weeraratna und Möller verständigten sich darauf, dass er mit Hilfe der „Dharmaduta Society“ nach Ceylon kommen würde und welche zudem dafür Sorge trüge ihn in Missionsarbeit zu schulen, bevor er dann, mit der ersten deutschen buddhistischen Mission, wiederum nach Deutschland zurückkehren würde.
Nach einer Abwesenheit von fast 13 Jahren, kehrte Möller nach Sri Lanka zurück und kam im Juni 1953 in Colombo an. Er lebte ein Jahr bei der „Dharmaduta Society“ in Colombo und verbrachte darüberhinaus auch Zeit in der „Forest Hermitage“ in Kandy, wohin er dann schlussendlich auch übersiedelte. Im Alter von 43 Jahren, wurde er am 19-ten September 1955 von Ñāṇatiloka als Novize akzeptiert und nahm den Namen Ñāṇavimala an. Als Ñāṇatilokas Gesundheit abnahm, unterstellte er den Novizen unter die Obhut des Abtes der „Island Hermitage“, Ñāṇāloka. Es war jedoch der englische Mönch Ñāṇamoli, der ihm eine besondere Hilfe war, indem er ihm pāḷi lehrte, das Regelwerk der Mönche und andere Aspekte des Mönchslebens. Genau zwei Monate nach seiner Ordination zum Novizen, erhielt er die Hochordination mit Madihe Paññasīha als seinem Mentor. Er befand sich selbst als noch untauglich, um andere unterweisen zu können und zu jenem Zeitpunkt verstand er, dass er zuerst an sich selbst zu arbeiten hatte. Er beschloss fortwährend in Sri Lanka zu bleiben. Später erzählte er, dass dieser Gesinnungswandel Gesprächen geschuldet war, die er mit Ñāṇamoli führte. Die „Dharmaduta Society“ respektierte seinen Wunsch.
Für zehn Jahre lebte Ñāṇavimala ruhig in der „Island Hermitage“ und widmete sich ausschließlich dem Studium und der Meditation. Er studierte die pāḷi-suttas und setzte das Wissen, das er sich aneignete, in die Praxis um. Er blieb grundsätzlich für sich und hatte wenig Kontakt mit anderen. Im Jahre 1966 verließ er dann die „Island Hermitage“ und ging auf Wanderschaft (cārikā). Für 25 Jahre wanderte er durch ganz Sri Lanka, vom Süden in den Norden und zurück, vom Westen in den Osten und zurück. Normalerweise blieb er höchsten drei Tage in Klöstern und anderen Orten auf seinem Weg, bevor er wieder weiterzog. Seine Praxis der Entsagung hatte zum Ziel, keine Besitztümer anzuhäufen und das geistige Anhaften an Orte und Menschen zu vermeiden. Durch zu langes Verweilen an einem Ort, ist es leicht möglich, dass sich verschiedenste Anhänglichkeiten entwickeln, welche mit dem Stand eines buddhistischen Mönches als Hauslosem, in Konflikt stehen können. Ñāṇavimala trug lediglich seine Almosenschale und eine kleine Tasche mit ein paar notwendigen Requisiten bei sich. Er gebrauchte nicht einmal Sandalen. Bei einer Begebenheit, traten ihm Räuber entgegen und inspizierten seine Tasche, jedoch fanden sich nichts von Wert und zogen mit leeren Händen wieder davon. Um noch freier und innerlich unabhängiger zu sein, hatte Ñāṇavimala normalerweise keine festen Zielbestimmungen. Als er einmal einige Wochen im Siri Vajirarama-Tempel in Colombo verbracht hatte, verließ er eines Morgens das Kloster und lief die Vajira-Straße in Richtung Galle hinunter. Ein Unterstützer des Siri Vajirarama sah ihn die Straße hinab laufen, trat an ihn heran und grüßte ihn respektvoll. Als er seine Tasche und die Schale um seine Schulter geschlungen sah, wurde ihm klar, dass dieser das Kloster verlassen hatte und er sprach ihn darauf an: „Ehrwürdiger, ganz unverhofft sehe ich, dass Sie das Kloster verlassen haben und ihre Wanderschaft fortsetzen. Wohin gehen Sie?“ Ñāṇavimala antwortete prompt: „Ich habe mich noch nicht entschieden. Ich werde mich entscheiden, sobald ich an die Ecke komme.“
Er sammelte sein Essen auf dem Almosengang (piṇḍapāta) in Dörfern und Städtchen entlang des Weges ein. Ausschließlich während der Regenzeit (vassa), verblieb er, im Einklang mit der vorgeschriebenen Regelung, für drei Monate kontinuierlich in einem Kloster. Am häufigsten verbrachte er die Regenzeit in der „Island Hermitage“. Solch einen asketischen Lebenswandel über eine langen Zeitraum hinweg zu führen, kann sogar für junge Mönche körperlich ziemlich belastend sein. In welchem Maße mehr, muss dies wohl auf einen älteren Mönch zutreffen? Nichtsdestotrotz, Ñāṇavimala hielt bis zum Jahre 1991 an der Praxis fest, obwohl ihn nach 1987, ein Hüftleiden davon abhielt, lange Strecken am Stück zu gehen. Er verbrachte daraufhin vier Jahre in Colombo im Siri Vajirarama-Kloster. 1995 kehrte er in die „Island Hermitage" zurück und später siedelte er auf die noch mehr abgeschiedene Insel Parappaduwa über, wo er verstarb. Wenn Ñāṇavimala Leute traf, ermutigte er diese, mittels den suttas als ihrem Leitfaden, den Dhamma zu praktizieren. Immer und immer wieder betonte er, dass die Dhamma-Praxis und ein einfacher Lebensstil der Entsagung sowie die Aufgabe aller weltlichen Anhaftungen, einen zum höchsten Glück des nibbāna führen wird. Zweifellos spiegelten seine eigene entsagende Lebensführung und sein geistiges Wohlergehen, seine Ratschläge gegenüber anderen wider. Er inspirierte viele jüngere Mönche und als er sich noch im Besitz körperlicher Stärke befand, war er froh, diesen weise Ratschläge darüber zu erteilen, wie das Mönchsleben bestmöglich zu gestalten sei. Man zögert zu sagen: „Auf dass er das nibbāna erreichen möge!” Zumal er das sicherlich bereits erreicht haben könnte, doch da dies nunmal die Tradition ist, lasst uns unsere Stimmen gemeinsam im Chor erheben und verlauten: „Auf dass er das nibbāna erreichen möge!”